Die Filderauffahrt und der Ruf nach neuen Straßen, zuletzt im Sommerloch ’15 Thema, als im Verlauf der Landesstraßen 1192 und 1202 7 Straßenkreuzungen umgebaut wurden, ist jetzt in der aktuellen Diskussion um das Thema Feinstaub wieder aufgekommen.
Thomas Rudolph vom HGV-Ost und Peter Metzler vom HGV Gablenberg haben in einem offenen Brief an OB Kuhn die Realisierung der sogenannten Filderauffahrt gefordert. Dabei greifen sie auch die bereits seit Jahren bekannte Idee des Frauenkopftunnels von Wangen auf die Fildern auf.
- Seite 1 aus dem HGV-Ost -eigenen Magazin „Ihr Stadtteil aktuell“
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Zur Erinnerung: Die Filderauffahrt ist mehrfach gescheitert, da sie in keinem Verkehrswegeplan, weder beim Land noch beim Bund, auftaucht und deshalb allein von der Stadt würde finanziert werden müssen. Die Idee, der Filderauffahrt eine höhere Bedeutung zu geben, indem man sie als Teil des sogenannten Mittleren Rings in einem Netz aus neuen Bundesstraßen realisiert, bietet zwar die Möglichkeit, Bundes- und Landesmittel zu bekommen. Es macht das Projekt an sich aber nicht besser.
Es klingt zwar schön, dass die Autos dann alle in Tunneln verschwinden, die kreuzungsfrei von Wangen auf die Fildern führen, an Vaihingen vorbei, über den Kräherwald und Pragsattel wieder zurück nach Wangen. Die Bundesstraßen im Talkessel könnten dann verschwinden, wären verkehrsberuhigt, keine Staus mehr, kein Ausweichverkehr in die Wohnviertel, es wäre Platz genug für die Kulturmeile vorhanden und die Luft wäre endlich wieder sauber. Die Allzweckwaffe neue Straßen bringt das Heil in den Stuttgarter Talkessel.
Thomas Rudolph und Peter Metzler erwähnen Verstetigung und Verflüssigung des Verkehrs als Maßnahmen und sehen diese nur durch Tunnels und neue Straßen verwirklicht. Dabei sind Entschleunigung des Verkehrs und Fahrverbote als sofort wirksame Maßnahme gegen Luftschadstoffe die Zauberworte. Mehrere europäische Städte, wie zum Beispiel Rom und Mailand, haben dies bereits realisiert. Auch Paris wird in dem Zusammenhang immer wieder erwähnt. Dort werden bei hohen Luftschadstoffwerten datumsabhängige Fahrverbote umgesetzt, eine Einfahrt in das Zentrum ist dann nur Fahrzeugen mit geraden/ ungeraden Kennzeichen erlaubt. Da viele Haushalte aber bereits mit mindestens zwei Fahrzeugen ausgestattet sind, wäre hier einfach ein Fahrzeugtausch möglich um das Fahrverbot zu umgehen. Die pariser Lösung bringt also auch nicht viel. Wenn Fahrverbote, dann für alle.
Die Bewohner in Degerloch, Vaihingen und am Kräherwald, die jetzt eh schon vom Verkehr auf der Jahnstraße oder am Kräherwald geplagt sind, werden sich auf jeden Fall bedanken, wenn wir den Verkehr aus dem Talkessel auf den Kesselrand verlegen. Nur weil der Verkehr dann auf den neuen Strecken abschnittsweise im Tunnel fahren soll ist er ja auch nicht sauberer.
Der Dreck und die Abgase müssen ja trotzdem irgendwo hingeleitet werden. Für den Rosensteintunnel sollen beispielsweise drei 8 m hohe Kamine in der Wilhelma auf Höhe des Schaubauernhofes gebaut werden, die dann die Abluft ungefiltert (so die bisherigen Pläne) ableiten sollen. Und auch während der Bauzeit der Tunnel würde die Belastung der Bewohner rund um die Baustellen mit Dreck, Lärm und Staubemissionen immens sein.
Thomas Rudolph und Peter Metzler erwähnen in ihrem Brief den Ausbau des ÖPNV, der bisher zu keiner nachhaltigen Verbesserung geführt habe. Welchen Ausbau meinen die denn bitte? muss man da fragen. Eine Studie des Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg jedenfalls kommt zu einem vernichtenden Urteil über den Nahverkehrsplan für Stuttgart. Stuttgart21 wird in dem Artikel zwar mit keinem einzigen Wort erwähnt, aber der aufmerksame Leser erkennt sofort den Zusammenhang zwischen dem Projekt und dem S-Bahnchaos bzw. der Unterbrechung der wichtigen Innenstadtlinie an der Staatsgalerie, dies wurde oft genug auf den Montagsdemos thematisiert.
Daraus kann nur folgen, dass wir dringend ein Stadtplanungsmoratorium brauchen, dass sowohl Verkehr als auch die allgemeine Bautätigkeit umfasst und keine Option auslässt.
Siehe zu dem Thema auch das Interview mit Jan Gehl im Magazin Brandeins, in dem er die Abschaffung der Parkplätze propagiert um wieder Leben in eine Straße zu bringen.
Zum Unterschied zwischen Mobilität (Bewegungsfreiheit allgemein) und Verkehr (nur ein Mittel zum Zweck Mobilität) lesen Sie diesen Artikel über die verlogene Verkehrsideologie.