Am 24. November hatte der Pressesprecher der Stadt Stuttgart nach heftiger Debatte auf Twitter wegen Falschparkern die Fahrradgemeinde und die Anwohner in Stuttgart um sogenannte „Schwerpunkte“ gebeten um dann dort die Falschparker zu bekämpfen. Die Nennung von einzelnen Straßen mit Fotos wäre nicht „zielführend“.
Nach reiflicher Überlegung und Abstimmung mit anderen Verkehrsteilnehmern wird Herr Matis von uns keine Liste mit Schwerpunkten erhalten.
- Die Bitte nach Schwerpunkten und die Zurückweisung von Einzelfällen zeigt wie die Stadt und das Ordnungsamt denken. Es geht Ihnen nicht darum, die Falschparker an sich zu bekämpfen. Sie wollen lediglich der Hydra die längsten Arme abschlagen. Dieses Vorgehen ist mit Sicherheit kosten- und zeiteffektiv aus Sicht der Stadt. Aber nicht zielführend aus Sicht der Fußgänger und Radfahrer. Denn freigewordener Platz wird sofort wieder belegt. Wenn aber nur nach Schwerpunkten geguckt wird und keine dauerhafte Kontrolle stattfindet, dann kehrt sehr schnell wieder Alltag ein.
- Es ist die fehlende Infrastruktur für Fahrradfahrer, die schlechten oder fehlenden Fahrradwege, die fehlenden Abstellplätze, die kleinen Dinge, die einem den Alltag erleichtern wie Aufstellräume vorne an Ampeln, Halteringe oder Fußstützen an Ampeln, Drücker speziell für Fahrradfahrer etc… Auch wenn die Stadt kein Geld hat für den Bau eines flächendeckenden Fahrradwegenetzes so könnte sie doch Neubauprojekte dazu nutzen, mit dem sowieso fälligen Neubau des Gehweges an einer Baustelle gleich auch einen Radweg zu bauen. Das wäre dann zwar nur Stückwerk, aber wenigstens würde sich so über die Jahre von selbst ein Netzwerk ergeben. Aber selbst das macht die Stadt nicht (siehe Bürohausneubau Löwentor-Center auf der Heilbronnerstraße 163 oder Wohnhausneubau Krempel Areal auf der Tunnelstraße 10 bis 12).
- Was sind denn Schwerpunkte? Für einen Fußgänger mit einer Mobilitätseinschränkung ist ein auf diese Weise abgestelltes Fahrzeug mit Sicherheit ein Schwerpunkt, einen Radfahrer wird dies im Gegenteil kaum jucken. Und ein Mitarbeiter des Ordnungsamtes wird dies wahrscheinlich im Rahmen seines „Ermessensspielraumes“ durchgehen lassen.
- Die STVO ist klar definiert und steht hier allen zum Lesen zur Verfügung. Sie lässt zwar in einigen Bereichen Ermessensspielraum, aber sie ist Grundlage für das Verhalten aller Verkehrsteilnehmer auf der Straße. Diese STVO gilt es einzuhalten. Und da gibt es keine Diskussion über Schwerpunkte.
- Das Problem geht tiefer, es sind nicht nur die Falschparker.
- Es sind auch die auf Geh- und Radweg abgestellten LKW, die vor Baustellen auf die Beladung warten.
- Es sind auch schlecht gesicherte Baustellenausfahrten, die Geh- und Radwege kreuzen und an denen durch die LKW-Fahrer Vorfahrtsregeln missachtet werden.
- Es sind auch die schlecht geplanten Radwege, die aus welchen Gründen (Platzmangel, falsch eingeschätztes Fahrrad-Verkehrsaufkommen, Geldmangel, etc. pp. ) auch immer oft einfach auf den Fußweg (für Fahrradfahrer freigegeben Zeichen 239 mit Zusatzzeichen) gelegt werden.
- Und es sind die vergessenen Schulterblicke der Autofahrer beim rechts-abbiegen oder die bei Stau oder roter Ampel nicht freigehaltenen Fuß- und Radüberwege.
- Und auch die ich-muss-hier-kurz-was-abliefern-Fahrzeuge auf dem Rad- und Fußweg (der Warnblinker entschuldigt im Zweifel alles).
- Überhaupt, wo bleiben Fußgänger und Mobilitätseingeschränkte Verkehrsteilnehmer? Der Tweet von Herr Matis suggeriert, dass es nur Radfahrer betrifft.
Natürlich ist klar, dass all diese Probleme nicht von heute auf morgen abgestellt sein werden. Aber wenn man heute – und nicht morgen – damit beginnen würde, die Probleme ein- und zurückzudrängen, wäre schon viel gewonnen. Es ist aber leider nicht erkennbar, dass dieses Zurückdrängen stattfindet. Stattdessen ist es eher so wie beim Feinstaubalarm, der zu einer kaum wahrnehmbaren Reduzierung des Verkehrs geführt hat.