Wer denkt an die Fußgänger?


Dass Stuttgart eine Autostadt ist und dass hier als Erstes an das Auto und den Fahrer desselben gedacht wird, ist nicht neu. Neu ist allerdings, dass sich diese Erkenntnis auch unter den Zeitungsredakteuren und der Stadtverwaltung verbreitet. Die Stuttgarter Zeitung berichtete von dem Besuch der britischen Entwicklungsdirektorin von Walk21 (Seite leider nur in englisch erhältlich), Bronwen Thornton in Stuttgart, ebenso das Lokalblättchen Wochenblatt in seiner Ausgabe vom 17.04.2013. Walk21 ist eine Organisation, die Städte in Sachen Fußverkehr berät. Frau Thornton hat Stuttgart auf Einladung des Bundesprojektes „Besser zu Fuß unterwegs“ besucht. Dies ist ein Projekt des Bundesministeriums für Bildung und ist Teil der ZukunftsWerkStadt.

Und als Berater der Stadt in Sachen Fußverkehr hat Bronwen Thornton gleich ein paar Kritikpunkte genannt.

  • Zum Beispiel sind die grauen Hinweisschilder für Fußgänger, die in der Stadt und den Parks aufgestellt wurden, nicht immer eindeutig bzw. aktuell und es fehlt ein Hinweis auf den aktuellen Standort.
  • Die Rampen für Fußgänger und Kinderwagen an den Rathauspassagen sind zu eng und zu steil.
  • Weiterhin kritisiert sie, dass einige Fußgängerüberwege zu lange auf Rot zeigen, zum Beispiel der Überweg vom Rathaus zur Leonhardskirche (Hauptstätterstraße).
    Anmerkung: das gleiche gilt für praktisch alle großen Kreuzungen und Plätze, vorallem solche, die von großen Autofahrstraßen gekreuzt werden, wie beispielsweise die Kreuzung Neckartalstraße und Pragstraße, den Charlottenplatz oder den Gebhard-Müller-Platz. Hier hat das Auto zuallererst Grün, dann hat der Bus- und Straßenbahnverkehr Vorrang und ganz zum Schluß kommt irgendwann der Fuß- und Radverkehr (mal ganz abgesehen davon, dass auf vielen dieser Kreuzungen der Radverkehr gar keine eigenen Spuren oder Wege hat)!
  • Kritisiert wird auch die „Shared-Space“-Lösung in der Tübinger Straße, Autofahrer werden dort mit Hinweisschildern auf die neue Verkehrssituation hingewiesen, für den Fußgänger gibt es keine Hinweise.
    Anmerkung: Dieser Kritikpunkt ist nicht ganz nachvollziehbar, denn schließlich muss ja der „stärkere“ Autofahrer Rücksicht auf den „schwächeren“ Fußgänger nehmen und nicht anders herum. Deswegen braucht es hier eigentlich keinen Hinweis auf die besondere Situation für Fußgänger.

Eigentlich sollten solche Begehungen selbstverständlich sein. Wieso müssen hier Experten aus England anreisen, um uns darauf hinzuweisen, dass unsere Wegweiser unzureichend sind? Wer regelmäßig mit offenen Augen durch die Stadt geht, wird Engpässe, fehlende Hinweise, Falschparker und diverse andere Unzulänglichkeiten sofort erkennen. Wieso müssen eigentlich immer die Fußgänger ausweichen? Wie es richtig geht, das zeigt die schweizerische Organisation Fußverkehr in ihren Hinweisen zu Fußgängerführung bei  Baustellen, Sichere Schulwege, Tempo 30 und Begegnungszonen. Begegnungszone ist die weitaus zutreffendere, schweizer Bezeichnung für die deutsche „Spielstraße“. Eine Spielstraße ist eine typisch deutsche Verniedlichung, die zwar auf eine erweiterte Nutzung der Straße hinweist, aber immer noch das Wort „Straße“ enthält und damit dem Verkehr weiterhin Raum zugesteht. Das Wort Begegnungszone dagegen ist völlig neutral gegenüber allen Verkehrsteilnehmern und weist auf die gleichberechtigte Nutzung hin, man „begegnet“ sich auf der Straße.

Mehr Informationen:

Siehe auch unseren Artikel zum Pariser Verkehr

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